Lässt sich Untreue vorhersagen?
Warum gehen Partner fremd? Kann man Untreue berechnen und Affären und Seitensprünge vorhersagen? Wissenschaftler und Psychologen sagen: Ja. Mach jetzt den Test, ob deine Beziehung sicher ist!
Inhaltsübersicht
- Warum gehen Menschen fremd?
- Betrügt er oder sie mich?
- Lässt sich Untreue vorhersagen?
- Sind Männer untreuer als Frauen?
- Darum gehen Partner fremd
- Wie schützen sich Paare vor Untreue?
Warum gehen Menschen fremd?
Die meisten Frauen geben als Grund an, ihr Partner wäre zuwenig aufmerksam. Als weiteren Grund beklagen sie die Kommunikation. Männer würden sich zwar auch eine bessere Kommunikation wünschen, begründen Fremdgehen aber überwiegend mit dem Wunsch nach befriedigenderem Sex. Das sich der Partner gehen lässt wiegt für beide Geschlechter gleich schwer.
Evolutionspsychologen begründen Fremdgehen theoretischer und sagen, die Monogamie für Männer und auch für Frauen sei eine kulturelle Prägung, denn fürs Zeugen von Nachwuchs wäre Treue schließlich nicht zwingend nötig.
Die Therapeutinnen Shirley Glass und Sue Johnson sagen beispielsweise, dass Eifersucht ein häufiger Grund sei, der Partner in Affären treiben würde. Denn durch Eifersucht entstünde Distanz und diese wiederum sorge dafür, dass die Partner bei ihrer Such nach Nähe diese dann bei anderen Partnern, sehr häufig aus dem direkten Umfeld, beispielsweise am Arbeitsplatz, suchen – und finden.
Selbstverständlichkeit führt ebenso zu Distanz. Seitensprünge finden häufig in den Beziehungen statt, in denen die nötige Aufmerksamkeit dem Partner gegenüber fehlt und das Interesse am anderen nachgelassen hat. Daher kommt es auch, dass Affären oft jahrelang nicht auffliegen.
Betrügt er oder sie mich?
Mindestens ein Drittel der Deutschen hat den Partner schon einmal betrogen. Es gibt Studien, die sagen, es wären sogar über zwei Drittel, die in ihrem Leben in einer Beziehung mindestens einmal untreu geworden sind. Aber wo beginnt Untreue? Jeder sieht Untreue anders: Bei manchen beginnt sie im Kopf, bei anderen erst bei Intimität.
Untreue ist einer der häufigsten Gründe für eine Scheidung und auch einer der häufigsten Gründe, weshalb Paare eine Sexual- und Paartherapie besuchen. Die Frage drängt sich bei solchen Zahlen auf: Ist Untreue vorhersehbar? Denn wenn Forscher die wichtigsten Gründe für einen Seitensprung oder eine Affäre ermitteln können, dann lassen sich vielleicht auch Strategien zur Verringerung der Untreue und der verheerenden Folgen entwickeln, die sie oft mit sich bringt.
Lässt sich Untreue vorhersagen?
In einer Reihe von Studien, die kürzlich im Journal of Sex Research veröffentlicht wurden, wurde ein Algorithmus für maschinelles Lernen eingesetzt, um zu ermitteln, ob Untreue vorhersehbar ist und welches die wichtigsten Faktoren wären.
Eine Studie umfasste eine Umfrage unter 891 Erwachsenen, denen Fragen zu ihren Erfahrungen mit persönlicher sexueller Untreue sowie mit sexueller Untreue im Internet gestellt wurden. Die zweite Studie umfasste eine Befragung von 202 gemischtgeschlechtlichen Paaren, denen dieselben Fragen zur Untreue gestellt wurden. In beiden Studien sammelten die Forscher umfangreiche Informationen über das Sexualleben, die Beziehungen, den demografischen Hintergrund und die Persönlichkeit der Teilnehmer.
Bei der Beantwortung der Frage, ob Untreue vorhersehbar ist, kamen die Forscher zu folgendem Ergebnis: „Ja, einigermaßen“. Sie stellten fest, dass einige Faktoren schwach und andere stark waren, und dass sich Untreue nur dann einigermaßen gut vorhersagen ließ, wenn sie dem Algorithmus eine große Anzahl von Variablen hinzufügten.
Bei der Frage, welche Variablen am aussagekräftigsten waren, stellten die Forscher fest, dass „die robustesten Prädiktoren für Untreue innerhalb der Beziehung liegen“. Mit anderen Worten: Demografische Faktoren (z. B. Bildungsniveau) und Persönlichkeitsfaktoren (z. B. Bindungsstil) waren nicht wirklich aussagekräftig.
Sind Männer untreuer als Frauen?
Das Geschlecht erwies sich in der Untersuchung bestenfalls ein uneinheitlicher Faktor. Allerdings zeigte sich, dass „Online Untreue“, also Fremdflirt im Internet, vor allem von Männern begangen wurde. Die historische Kluft zwischen den Geschlechtern bei der Untreue nimmt aber nachweislich ab. Allerdings ist nicht ganz klar, ob Frauen heute mehr fremdgehen oder ob sie es nur häufiger melden als früher.
Darum gehen Partner fremd
Die beständigsten Faktoren für alle Stichproben und alle Arten von Untreue (persönlich oder online) bezogen sich vor allem auf die Zufriedenheit des Sexuallebens und der Beziehung. Diejenigen, die mit größerer Wahrscheinlichkeit fremdgehen, neigten zu Folgendem:
- Sie waren mit ihren Beziehungen insgesamt weniger zufrieden
- Sie gaben ein geringeres Maß an sexueller Befriedigung an.
- Sie zeigten ein höheres Maß an sexuellem Verlangen im Allgemeinen.
- Sie brachten weniger Liebe für ihren Partner oder ihre Partnerin.
Auch die sexuelle Einstellung und das Sexualverhalten der Befragten waren ausschlaggebend. Der Sexualfroscher Justin Lehmiller ordnet die Ergebnisse so ein: „Die Neigung zum Fremdgehen war bei denjenigen größer, die grundsätzlich eine freiere sexuelle Einstellung hatten, und bei denjenigen, die bereits ein breiteres Spektrum an sexuellen Verhaltensweisen praktiziert hatten (z. B. Analverkehr oder die Verwendung von Sexspielzeug). Mit anderen Worten: Diejenigen, die Sex durch eine restriktivere Brille betrachten, scheinen weniger geneigt zu sein, fremdzugehen, aber das könnte daran liegen, dass sie von vornherein eine negativere Einstellung zur Untreue haben.“
Ein interessantes Ergebnis war, dass eine geringere Zufriedenheit mit der eigenen Beziehung zwar eine höhere Wahrscheinlichkeit des Fremdgehens vorhersagte, es aber auch eine Untergruppe von sehr zufriedenen Menschen gab, die fremdgegangen waren. Wie die Therapeutin Esther Perel bereits in „Die Macht der Affäre“ schreibt: „Untreue nicht immer auf eine unglückliche Beziehung oder schlechten (oder keinen) Sex zurückzuführen.“ Manchmal geht es um etwas ganz anderes.
Untreue ist ein komplexes Phänomen, für das es mehr als nur eine mögliche Ursache gibt. Wenn wir also versuchen, Untreue vorherzusagen, müssen wir mehrerer Faktoren zusammenführen. Wenn du beispielsweise mit deiner Beziehung unglücklich bist und das mit einem hohen sexuellen Verlangen und einer freizügigen Einstellung zum Sex einhergeht, ist die Wahrscheinlichkeit der Untreue um einiges höher, als wenn du mit deiner Beziehung unglücklich sind, aber ein geringes sexuelles Verlangen und eine restriktive Einstellung zum Sex hast. Das bestätigt die Aussagekraft des Untreue-Tests der Modern Love School, der viele mögliche Faktoren abfragt und zusammenführt.
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Wie schützen sich Paare vor Untreue?
Zur Vorbeugung von Untreue ist wahrscheinlich am erfolgreichsten, sexuelle Bedürfnisse, Wünsche und Beziehungsprobleme frühzeitig anzusprechen. Oder: Nur wenn Paare sich über ihre Wünsche und Fantasien austauschen, können sie diese auch gemeinsam ausleben.
Quellen:
- Vowels, L. M., Vowels, M. J., & Mark, K. P. (2021). Is Infidelity Predictable? Using Explainable Machine Learning to Identify the Most Important Predictors of Infidelity. The Journal of Sex Research.
- Justin Lehmiller: Sex and Psychology
- Esther Perel (2019): Die Macht der Affäre. Harper Collins
- Shirley P. Glass (2003): Die Psychologie der Untreue. Klett-Cotta
- John Gottmann (2015): Principia Amoris – The New Science of Love. Routledge