Was ist Liebeskummer? – Fünf Sichtweisen
Wer vom Leid überfallen wird, möchte wissen, was mit ihm oder ihr passiert. Was ist mit mir los? Woher kommt dieser Schmerz? Bin ich normal? Welchen Sinn und welche Bedeutung hat Liebeskummer? – Antworten aus fünf Blickrichtungen
Inhaltsübersicht
- Was sagt die Statistik über Liebeskummer?
- Wie verhalten sich Mediziner?
- Was erklären uns Psychologen?
- Wie sehen es Anthropologen?
- Was tun Künstler?
Was sagt die Statistik über Liebeskummer?
Liebeskummer ist weiter verbreitet als du denkst
Jeder dritte Deutsche zwischen 18 und 65 Jahren ist Single, das sind etwa 16,8 Millionen Menschen (Quelle: Elitepartner Single-Studie). Laut einer repräsentativen Umfrage von 2018 unter Singles in Deutschland hatten 13 Prozent zum Zeitpunkt der Befragung Liebeskummer und 19 Prozent hatten ihn in den vergangenen sechs Monaten (Quelle: Statista). Wer also innerhalb des letzten halben Jahres Liebeskummer hatte oder weiterhin hat, teilt diesen Kummer mit 5,3 Millionen Menschen.
Viele Menschen können nicht arbeiten
Laut Elitepartner Studie geht jeder sechste wegen Herzschmerz, verursacht durch Liebeskummer oder Beziehungsstreit, nicht zur Arbeit. Das medizinische Fachportal Arztwirtschaft hat auf dieser Basis berechnet, dass sich daraus 6,6 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage, ein Produktionsausfall von über 774 Millionen Euro und ein Verlust an Bruttowertschöpfung von mehr als 1,4 Milliarden Euro ergeben. Dies könnten die Gesundheitsbehörden und Krankenkassen durch eine Anerkennung von Liebeskummer als Krankheit ändern und entsprechende Liebeskummer-Coachings übernehmen, was bislang nicht geschieht. Die tatsächlichen Beschwerden bei Liebeskummer halten der Krankheits-Definition auf jeden Fall Stand: „Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen und/oder objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen“ (Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung).
Wie verhalten sich Mediziner?
Herzschmerz macht krank
Liebeskummer verursacht fast immer eine oder mehrere körperliche Beschwerden. Als Krankheit anerkannt ist er jedoch nicht. Dementsprechend ist der Liebeskummer auch kein offizielles Thema in der medizinischen Forschung und Praxis. Wie der Hausarzt mit dem Herzschmerz seines Patienten umgeht, bleibt allein ihm überlassen. Die Liste der Beschwerden, über die Menschen mit Liebeskummer berichten, ist lang (Quelle: Studie PD Dr. Ina Grau):
- Kopfschmerzen
- Bauchschmerzen
- Magenbeschwerden
- Schmerz in der Herz-Gegend
- Kreislaufbeschwerden
- Erschöpfung
- Müdigkeit
- Gliederschmerzen
- Appetitlosigkeit
- Gewichtsabnahme
- Schlaflosigkeit
- Allgemeines Krankheitsgefühl
Gehirnforscher belegen die heftige Wirkung
Einzige Ausnahme: Die Neurologie, die Forschung und Behandlung des Nervensystems. Für die Gehirnforschung ist Liebeskummer sehr wohl ein Thema. Laut Neurologie-Professorin Stephanie Cacioppo entfacht leidenschaftliche Liebe Hirnareale, die mit Euphorie, Belohnung und Motivation in Verbindung gebracht werden. Da sich diese Regionen auch unter dem Einfluss von Opiaten oder Kokain regen, ist für viele Forscher klar, dass sich Liebe und Sucht gar nicht so stark unterscheiden. Liebeskummer kann es nur geben, weil wir uns vorher verliebt haben. Wissenschaftler vergleichen diesen Zustand mit einem Drogenrausch, weil er in denselben Hirnregionen abläuft. Bei Verliebten schüttet das Gehirn das Glückshormon Dopamin und das Bindungshormon Oxytocin aus, die Nebenniere Adrenalin (Herzklopfen, Appetitlosigkeit). Oxytocin und Vasopressin sorgen für weitere Bindung, Vertrauen und Nähe.
Eine Trennung wirkt dann wie ein Drogenentzug. Das Gehirn reagiert wie beim Verlieben: Der Dopamin-Spiegel steigt wieder, während die Nebenniere das Stress-Hormon Noradrenalin ausschüttet. Der Körper reagiert mit Herzrasen und Schwitzen. Im Extremfall haben Verlassene Depressionen. (Quelle: Stephanie Cacioppo, Social Neuroscience of Love).
Was erklären uns Psychologen?
Liebeskummer verlangt nach Anpassung
Für Psychologen ist Liebeskummer eine Reaktion auf den Verlust der Bindung an einen geliebten Menschen. Das Ziel der Verarbeitung des Liebeskummers ist es dementsprechend, sich an die neue Lebenssituation anzupassen. In der Psychologie wird Liebeskummer darum auch „Anpassungsstörung“ genannt.
Dein Bindungsstil beeinflusst die Härte des Kummers
Über das menschliche Bindungsverhalten ist sehr viel bekannt. Der 1990 verstorbene britische Kinderarzt, Kinderpsychiater und Psychoanalytiker John Bowlby hat über viele Jahrzehnte die Bindung von Menschen erforscht und gilt heute als „Bindungspapst“. Er hat – kurz gesagt – herausgefunden, dass die Reaktionen auf den Verlust eines geliebten Menschen vergleichbar sind mit den Reaktionen von Kleinkindern auf die Trennung von ihren Eltern, die Bowlby als Protest, Verzweiflung und Loslösung beschrieben hat. Seine „Bindungstheorie“ gilt als Grundlage u.a. für das Verstehen von Liebeskummer. Demnach entwickeln wir Menschen im Laufe unseres Lebens verschiedene Bindungsstile – sicher, ängstlich, vermeidend – je nach unseren frühkindlichen und späteren Erfahrungen mit der Zuverlässigkeit von Eltern, Freunden und Partnern. Menschen mit einem ängstlichen Bindungsstil zum Beispiel können Liebeskummer härter erleben als Menschen mit einem sicheren Bindungsstil (Quelle: John Bowlby, z.B. Wikipedia).
Die Anpassung an das neue Leben ohne die geliebte Person erforschte später die österreichische Psychologin und Psychotherapeutin Dr. Gerti Senger, die ihre Forschungsergebnisse als „Liebeskummer-Phasen“ (Link auf Artikel „Liebeskummer-Phasen“) zusammengefasst hat.
Emotionsregulierung als ein Schlüssel zur Verarbeitung
Die Frage, wie es uns gelingt, gut durch diese Phasen zu kommen, haben zahlreiche weitere Psychologen beantwortet. Eine große Rolle spielt dabei zum Beispiel die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu regulieren – in den Griff zu bekommen. Diese und viele andere Methoden sind in den Liebeskummer-Onlinekurs der Modern Love School „In 6 Schritten den Liebeskummer loswerden“ eingeflossen.
In 6 Schritten den Liebeskummer loswerden
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Wie sehen es Anthropologen?
Hilferuf an Freunde und Familie
Anthropologen erklären Phänomene immer mit Blick auf die zurückliegende Entwicklung der Menschheit. Sie erforschen den Menschen, seine Vielfalt, Vorfahren, Kultur und Evolution. Sie fragen sich: Welchen Rolle könnte Liebeskummer früher einmal gespielt haben? Sie gehen davon aus, dass hinter elementaren Gefühlen – z.B. Liebe oder Liebeskummer – ein evolutionärer Sinn steckt, ein Sinn für die Menschheit insgesamt.
Aus Sicht der Anthropologie ist der Liebeskummer ein Phänomen, das im Laufe der Menschheit überliefert wurde. Liebeskummer könnte früher, als man noch nicht in Singlehaushalten sondern in Dörfern und Großfamilien lebte, den Sinn gehabt haben, der Gruppe zu signalisieren, dass der liebeskranke Mensch ihre Hilfe und Zuwendung braucht. Das ist auch heute noch ein guter Gedanke!
Sie gehen außerdem davon aus, dass der Liebeskummer früher einmal der Absicherung der Fortpflanzung gedient haben könnte. Demnach könne der Sinn des Liebeskummers in der Abschreckung der Psyche gelegen haben – Motto: Wer weiß, wie es schmerzt, allein zu sein, wird sich hüten, den Fortpflanzungspartner zu verlassen. Das funktioniert heute nicht mehr, weil viele Menschen gerne als Single leben. Nur 12 Prozent der Frauen und 25 Prozent der Männer möchten nach einer Trennung schnell wieder in einer Beziehung sein (Quelle: Elitepartner).
Was tun Künstler?
Kummer in Kreativität umwandeln
Künstler sind keine Wissenschaftler und Forscher, sondern Schöpfer. Es gibt unzählige Beispiele dafür, dass Musiker, Dichter, Baukünstler die Kraft aus ihrem Kummer schöpfen, den Frust quasi in Energie verwandeln, und sich so Verarbeitung und Befreiung verschaffen.
Madonna verarbeitete in ihrem Album „MDNA“ (2012) ihre gescheiterte Ehe mit Guy Ritchie und brach damit alle Rekorde. Lady Gaga fasste in ihrem Song „Judas“ (2011) ihre schlechten Erfahrungen zusammen, die sie mit ihren Verflossenen gemacht hatte. Und Adele verdankt einen Teil ihres Erfolges ihrem Liebeskummer als sie „Rolling In The Deep“ und „Someone Like You“ (2011) schrieb. Bedeutende Bauwerke oder Literatur wurde aus dem Herzschmerz heraus erschaffen. Angetrieben durch eine unerwiderte Liebe zu Charlotte schrieb Goethe die “Leiden des jungen Werther”. Der märchenhafte Palast Taj Mahal in Indien gilt heute als Symbol unsterblicher Liebe. Großmogul Shah Jahan hatte es zur Erinnerung an seine verstorbene Liebe Mumtaz Mahal gebaut.
Auch dir gibt der Kummer Rückenwind
Der Schmerz setzt aber nicht nur bei Künstlern, sondern bei jedem Menschen eine starke emotionale Energie frei, die wir alle für uns nutzen können. So verrückt es auch klingt: Liebeskummer bietet jedem eine Chance, diese Energie in etwas Neues umzuwandeln. Es muss ja nicht gleich ein Taj Mahal sein.
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